


Der bekannteste Berührungspunkt von Albrecht/d. mit Industrial sind zweifelsohne die 1976 in der Martello Street in London live aufgenommenen Sessions mit Throbbing Gristle. Zu diesem Zeitpunkt war der Begriff „Industrial“ noch nicht etabliert, aber die Szene formierte sich seit ca. 1975. In diesem Jahr hatten sich Throbbing Gristle aus dem COUM Kollektiv heraus gegründet, Cabaret Voltaire ihre erste live-Performance gegeben und Boyd Rice veröffentlichte mit „Pagan Muzak“ seine erste 7“-Platte.
Die thematische Zusammenführung von Sex, jeglicher Form von Gewalt (institutionalisierter, sexualisierter, kriegerischer, psychischer, …), den Widersprüchen von medialen und politischen Heilsversprechen gegenüber alltäglichen Erfahrungen von Gewalt, Konformitätszwang, Machtwillkür und zum Teil auch schon Umweltzerstörung hatte in der politischen Kunst der 1960er Jahre, mitunter in der NO!Art-Bewegung schon in den 1950er Jahren, begonnen, begleitet von Schriftstellern der Beat-Generation. Sie manifestierte sich vor allem durch Mail-Art-Netzwerke und performancebetonte Strömungen wie Fluxus zu einer internationalen künstlerischen Bewegung, die auch zunehmend nach musikalischer Umsetzung strebte.
Die inhaltliche Nähe von Bild- und Filmcollagen etwa von Cabaret Voltaire und Throbbing Gristle zu Albrecht/d.s Zyklen „CIA-Projekt“ und „Violence Permanente“, sowie die musikalische Neu-Orientierung zu atmosphärischen, klang- und geräuschbasierten Werken, die oft auch mit Klang- und Sprachcollagen arbeiteten, war kein Zufall. Sie war eine Konsequenz des internationalen Austauschs dieser Netzwerke.
Die Sessions von Albrecht/d. mit Throbbing Gristle 1976 waren daher auch keine singuläre Aktion, die sich ergeben hatte, sondern eine selbstverständliche künstlerische Kooperation, die auf einem breiten diskursiven Konsens basierte.
Albrecht/d. ist auch auf der Nurse with Wound list aufgeführt, die die Band als Hommage an jene Künstler veröffentlichte, die sie als ihre Einflüsse nennt. Die ursprünglich mit dem Album “Chance Meeting on a Dissecting Table of a Sewing Machine and an Umbrella” 1979 mit 291 Namen publizierte Liste wurde mit dem zweiten Album „To the Quiet Men from a Tiny Girl“ 1980 erweitert.
Auf dieser Liste steht Albrecht/d. neben Namen wir John Cage, Lou Reed, Amon Düül I und II, Velvet Underground, Kraftwerk, Neu!, Can, Wolfgang Dauner, Throbbing Gristle, usw.
Die englische Wikipedia schreibt, diese Liste habe sich zu einer Art „Einkaufsliste“ für Sammler von Außenseiter- und Avantgarde-Musik entwickelt.
In seiner Rezension zum Buch „Laibach. 40 Years of Eternity“ von Teodor Lorenčič unterteilt Uwe Schütte auf nd-aktuell Industrial in zwei Hauptströmungen, wobei er bewusst auf die zahlreichen Genres innerhalb von Industrial nicht eingeht. Er nennt einerseits „lärmende Antimusik“ die „das Publikum durch Lautstärke wie durch die Erzeugung bestimmter Frequenzen, die Brechreiz, Halluzinationen etc. auszulösen vermochten, körperlich wie mental affizieren“ sollte. „Hören mit Schmerzen“, wie er schreibt. „Der andere Zweig des Industrials hingegen fand seinen Ansatzpunkt im Ideologischen, operierte als radikalästhetische Intervention im Feld des Politischen“. Zu den entscheidenden Urhebern dieses Zweigs zählt Schütte das 1980 gegründete slowenische Kollektiv NSK/Laibach.
Das laut Schütte „aus Versatzstücken rechter wie linker Totalitarismen zusammengebastelte Styling von Laibach“ und ihre zum Prinzip erhobene Dekonstruktion sowohl totalitärer Strukturen und Ästhetik wie ihren westlichen von Hollywood, aber auch vielen Medien, produzierten Entsprechungen wurzeln freilich in denselben Diskursen, die in den 1960er Jahren per Mail-Art um die Welt gingen, und auch die Zensurkontrollen autoritär regierter Staaten oft durchdrangen.
Albrecht/d. hatte sich selbst nie dem Industrial zugerechnet. Die Kooperation mit Throbbing Gristle, der langjährige Kontakt mit Genesis P-Orridge und Cosey Fanni Tutti, die Aufnahme in die Nurse with Wound-Liste, die thematischen Überschneidungen oder Parallelen seiner Werke mit sowohl Throbbing Gristle als auch Laibach und punktuell einigen anderen Vertretern des Industrial sind aber Ausdruck globaler künstlerisch-thematischer Querbezüge, die sich seit den 1960er Jahren fortsetzen.
Mehr zu Albrecht/d.s Schnittmengen bzw. Abgrenzungen zu Industrial.