Soap Opera – LaienSpielSchar

1978 veröffentlichte Nina Hagen mit „TV Glotzer“ die deutschsprachige Coverversion des Tubes-Klassikers „White Punks on Dope“ von 1975. Die multiplen Effekte auf die bundesrepublikanische Musik und Popkultur sind gut untersucht.

Anfang der 1980er Jahre strahlten mehrere dritte Fernsehprogramme die US-Seifenopern-Persiflage „Soap“ (deutscher Titel „Trautes Heim“, US-Start 1977) aus, und machten damit den Begriff Seifenoper/Soap Opera in Deutschland bekannt. Zwar hatte es hierzulande bereits 1947 mit „Familie Hesselbach“ zunächst im Hörfunk und später, ab 1960, im Fernsehen schon die erste von zahlreichen deutschen Seifenopern gegeben, der englische Terminus und seine deutsche Entsprechung waren allerdings im Alltag kaum gebräuchlich. 1981 gründete sich in Tübingen die Punkband „Familie Hesselbach“, deren Mitglieder entsprechend (ähnlich den Ramones) unter dem einheitlichen Nachnamen Hesselbach auftraten. Bis zu ihrer Auflösung 1985 brachten sie es im deutschen Punk durchaus zu einer gewissen Bekanntheit.

Die Serien bzw. Seifenopern in Hörfunk und Fernsehen waren von Beginn an die Übertragung des Konzepts des Fortsetzungsromans aus den Printmedien, der dort bereits zum Ziel hatte, das Publikum möglichst an die Zeitung und nun den Radio- bzw. Fernsehsender zu binden.

Dass das funktionierte, bestätigten die Gründer der „Familie Hesselbach“, die den Bandnamen wählten, weil sie mit der Serie aufgewachsen waren. Das Problem der Fernsehsucht entstand zunächst in den USA, während in Deutschland Fernsehen zu dieser Zeit nur von öffentlich-rechtlichen Sendern und auch nur bis etwa Mitternacht verfügbar war. Nina Hagens textlicher Angriff auf das Fernsehen als Bespassungs- und Verblödungs-Droge kam damit sehr früh und hatte quasi-prophetischen Charakter. Die dazu passende inhaltliche Satire von „Soap“, die in defätistischer Freude kein gesellschaftliches Tabu ausließ, lieferte ideale Ansatzpunkte für Künstler aller Art in ihrer Kritik am Mainstream der bürgerlichen Gesellschaft, egal ob Punks oder eben auch Albrecht/d., der auch in seinem Doppel-Zyklus „Instant Life / Instant Love / Instant Death“ die Illusion der Fernsehwelt thematisierte.

„Ich schalt die Glotze an,
Happiness, Flutsch Flutsch, Fun Fun“
(Nina Hagen, „TV Glotzer“, 1978)

Albrecht/d. begann zunächst mit dem Stempel „Seifenoper \ Soap Opera“. In einem Text zu „LaienSpielSchar / Amateur Theater Group“ (2002) schrieb er später:

„Entstanden in der Zeit zwischen
Februar und August 2002

Es sind Stichworte – Gedanken – im Gehirn
wird ja nicht in kompletten Sätzen gedacht,
sondern in einzelnen Worten, Begriffen, Zufällen,
Beobachtungen, Erinnerungen ……………..

….. die ‚Seifenoper ……‘ Ist ein Projekt, das mit der
Anfertigung des oben rechts abgebildeten Stempels in den
Achzigern begann …. eine größere Version war mit
0 wie Null/Zero oder Original bezeichnet, eine Installation
mit Bierkartons (Dosenbier) und eincollagierten A3 – Schwarz/Weiss-
Kopien – die Bierkartons wurden als Rahmen gesehen, bzw. vom
Betrachter interpretiert ….

Die aktuelle Version ist von anderer Art, eine Installation
mit rotem Stoff, Bambus, Latten, farbigen DIN A3-Kopien
mit ironisierenden Texten ….. es ist die Fortschreibung
des Projekts – Länge ca. fünf Meter
Höhe ca. 1.20 Meter“

DIN A4 Textblatt zur „LaienSpielSchar“ 2002, Sammlung Franke

„LaienSpielSchar / Amateur Theater Group“ bezeichnet er in diesem Text als „aktuelle Version“ und „Fortschreibung“ der „Seifenoper \ Soap Opera“ aus den 1980er Jahren, die in diesem Text auch klar beschrieben ist.

Die Bierkartons mit eincollagierten DIN A3-Fotokopien entsprachen in ihrer Optik und ihrem Grundgedanken Albrecht/d.s Prinzip, stets allgemein für jeden verfügbare Materialien zu verwenden, und sich dadurch auch gezielt von der etablierten Kunst abzusetzen. Sie entsprachen auch seinem Ende der 1970er / Anfang der 1980er Jahre konsequent angewendeten Prinzip der „Abfallkunst“ (Albrecht/d.), durch die letztlich alles zu Kunst werden oder verarbeitet werden konnte. Die leeren Bierdosen fanden Eingang in Klanginstallationen, die er bei Performances bespielte, die Bierkartons wurden zu Containern für die fotokopierten Collagen.

Die so „gefüllten“ Kartons konnten gestapelt werden und erweckten so durchaus Assoziationen zu den Anordnungen von Fernsehgeräten in den Schaufenstern von Radio- und Fernsehgeschäften oder eben, wie Albrecht/d. schreibt, zu Bilderrahmen. Die Bierkartons mit ihren Fotokopien konnten beliebig miteinander durch stapeln oder nebeneinander stehend kombiniert werden, was die einzelnen Fotokopien wiederum thematisch zueinander in Bezug setzte. In der künstlerisch-handwerklichen Logik war „Seifenoper \ Soap Opera“ eine der konsequentesten Arbeiten seines Schaffens. In der Ästhetik und ihrer Außenwirkung waren sie reiner Punk und Trash, gleichwohl auch auf frühe Arbeiten seiner Fluxus-Zeit referenzierend, sowohl in der provokativen Simplizität und Ästhetik, als auch in der Benutzung von Alltagsmaterial und Abfall.

Georg Mühleck schrieb in „Albrecht/d. – zum Berühmtsein eigentlich keine Zeit“: „Es handelt sich stets um Materialien, die jedem zugänglich sind, die man von ihrer Benutzung her unschwer nachvollziehen kann. Es ging ihm nicht darum, Werke von ewiger Haltbarkeit aus teurem Material zu schaffen, sondern eher darum seine ihm zur Verfügung stehenden Mittel so zu nutzen, dass ein möglichst umfangreicher Output zustande kommt, um möglichst viele Leute zu erreichen. […] Zeitblende: Im heutigen internationalen Kunstmarkt tummelt sich eine Menge von ‚trash art‘, Neo-Arte Povera sozusagen. Hat Albrecht/d. nur knapp den Zeitpunkt verpasst, um auf dem Kunstmarkt eine größere Rolle zu spielen?“

1999 lud Bernd-Löbach-Hinweiser Künstler ein, ihm Künstler-Geldscheine zu schicken. Die Scheine wurde 2000 in Wesel ausgestellt und es erschein eine Dokumentation im DesignBuch-Verlag. Albrecht/d. reichte Dollarscheine „mit Seifenoper \ Soap Opera“-Stempel ein.

Die Arbeiten der „LaienSpielSchar“ wirken im Vergleich zu „Soap Opera \ Seifenoper“ geradezu professionell und „modern“, auf den ersten Blick sogar etwas konventionell. Sie stehen natürlich auch in einer langen Tradition politischer Plakate, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, und referenzieren damit auch auf Albrecht/d.s politische Kunst der 1960er und 1970er Jahre.

Die Art der Kombination von Bild und Parolen / Sprüchen / Kommentaren wirkt aber auch 20 Jahre nach ihrer Entstehung noch immer sehr aktuell und ähnelt Bild-Kommentar-Kombinationen, wie sie inzwischen millionenfach in den sozialen Netzwerken zu finden sind, die 2002 noch weit davon entfernt waren, Plattformen für den massenhaften Austausch von Bild und Filmsequenzen zu sein. Es ist kaum vorstellbar, was Albrecht/d. mit den Möglichkeiten heutiger elektronischer Medien geschaffen hätte.

Die „LaienSpielSchar“ wurde in der oben beschriebenen Form 2002 in der Galerie Franke ausgestellt „mit rotem Stoff, Bambus, Latten, farbigen DIN A3-Kopien mit ironisierenden Texten“. Die Anordnung greift Konzeptionen aus Albrecht/d.s Fluxus-Arbeiten wieder auf („between the front“, „Perception“ auf der 10. Biennale in Tokio) aber auch Konzepte wie das „Denkmal für die Rechte in Deutschland“, in denen Besucher / Betrachter sich bücken oder andere körperliche Anstrengungen unternehmen mussten, um das Werk anschauen zu können. Die optische Assoziation zum Roten Teppich, den das Werk den Protagonisten der „LaienSpielSchar“ ausbreitete, war genauso beabsichtigt, wie die Assoziation zu einem Gebetsteppich, denn ein beträchtlicher Teil der darauf drapierten Farbkopien thematisiert den „Krieg gegen den Terrorismus“, den US-Präsident Bush am 16. September 2001 ausgerufen hatte. Das amerikanische Militär nutzt den Begriff „Theater“ für einen Kriegsschauplatz.

Die Konzeption des geknickten „Teppichs“ (mit „Teppichfalte“) schuf einerseits ein Hindernis, einen Widerstand, ähnlich wie eine Straßensperre oder ein Sandsackstellung, andererseits verhinderte sie den Überblick über alles und generierte eine Situation, die dazu zwang beide Seiten zu betrachten.

Zur Meta-Ebene der „LaienSpielSchar“ schreibt Albrecht/d.:

„Stichworte zur Installation:
Pathos der Macht, Macht des Pathos – Inszenierung der Wirklich-
keit, Wirklichkeit der Inszenierung
die Flüchtigkeit des Bildes (flashes – flashlights) im sogen.
Medienzeitalter des 21. Jahrh.
die galoppierende Schwindsucht im Gegenteil zur „Medienmassage des
globalen Dorfes als Message“ vom Meister vieler Worte über fast
NIX, Marshall Mc Luhan in der zweiten Hälfte des 20. Jahrh.
inzwischen laufen Billionen von Bildern über Satellitenfernsehen
E-Mail, Internet, Handy, Fax, Kabel, Film in die Augen, ins Gehirn
und gleich wieder raus …..“